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Natur und Wissenschaft
Datenbank mit mehr als 61 000 Einträgen
Interesse bei Mathematikern und Laien groß
Manche Menschen sammeln Briefmarken, andere Münzen, Telefonkarten, Bierdeckel oder Schmetterlinge. Es gibt kaum etwas, das nicht zum Objekt menschlicher Sammelleidenschaft geworden ist, selbst Nachttöpfe und Schnürsenkel haben ihre Liebhaber gefunden. Doch für die wohl ungewöhnlichsten Sammelobjekte hat sich der amerikanische Mathematiker Neil J. A. Sloane vom AT&T Shannon Lab in Florham Park/New Jersey entschieden. Er sammelt Zahlenreihen. Allerdings nicht irgendwelche beliebigen, sondern nur solche, die aus positiven ganzen Zahlen bestehen, unendlich viele Elemente haben und außerdem nach einer festen Regel aufgebaut sind.
Obgleich Sloane vermutlich der einzige Sammler von Zahlenreihen in der Welt ist, stößt sein Hobby auf ein breites Interesse. Tausende von Wissenschaftlern und Laien helfen ihm seit vielen Jahren dabei, seine Sammlung ständig zu erweitern. Im Dezember 1963 suchte Sloane der zu dieser Zeit noch Student an der Cornell University in Ithaca/New York war, nach Informationen über eine bestimmte Zahlenreihe aus der Graphentheorie. Aber wie er sich auch mühte, er konnte nichts darüber in der einschlägigen Literatur finden. Das ärgerte ihn so sehr, daß er begann, systematisch Zahlenreihen zu sammeln.
Zehn Jahre später umfaßte seine Kollektion über 2300 Reihen aus allen Bereichen der Mathematik, der Naturwissenschaften und sogar des Denksports. Er ordnete sie lexikalisch und gab sie als Buch mit dem Titel "A Handbook of Integer Sequences" heraus. Das Buch wurde ein Erfolg, und viele Menschen schickten ihm daraufhin neue Reihen. Neil Sloane sammelte weiter. 1995 schrieb er gemeinsam mit Simon Plouffe von der Université du Québec in Montréal die "Encyclopedia of Integer Sequences", die mit 5488 Zahlenreihen mehr als doppelt so groß war wie seine erste Sammlung.
Im selben Jahr richtete Sloane E-Mail-Adressen ein, mit denen man automatische Abfragen an seine Zahlenreihen-Sammlung machen konnte. Das Buch und die E-Mail-Adressen waren ein großer Erfolg und führten zu einer riesigen Flut von Einsendungen mit neuen Reihen. Schon ein Jahr später war die Sammlung auf 16 000 Reihen angewachsen. Nun richtete Sloane auch eine eigene Internetseite für seine Zahlenreihen-Sammlung mit speziellen Suchfunktionen ein (http://oeis.org). Das Interesse unter Wissenschaftlern und auch unter Laien ist enorm. Pro Tag wird etwa 2500mal auf seine Sammlung zugegriffen, die inzwischen über 61 000 Reihen enthält.
Die Sammlung von Sloane gleicht einem gut sortierten Kaufhaus. Alle nur irgendwie vorstellbaren Zahlenreihen sind dort zu finden. Mathematische Reihen wie die der Primzahlen (2, 3, 5, 7, 11 ...), der Quadratzahlen (0, 1, 4, 9, 16 ...) oder der Fakultäten (1, 1, 2, 6, 24 ...) sind selbstverständlich zahlreich vertreten. Aber auch Reihen der Chemie wie die Zahl der verschiedenen Alkane mit n Kohlenstoffatomen (1, 1, 1, 2, 3, 5 ...) oder Reihen der Physik wie die Zahl der Feynman-Graphen der Ordnung 2n (1, 3, 18, 153, 1638 ...) sowie Reihen der Biologie wie die möglichen Sekundärstrukturen eines RNS-Moleküls mit n Nukleotiden (1, 1, 1, 2, 4, 8, 17 ...) hat Neil Sloaneerfaßt.
Die Sammlung enthält außerdem Schachprobleme wie die Zahl der Möglichkeiten, n Damen so auf ein Schachbrett mit n Feldern zu stellen, daß sie sich nicht gegenseitig bedrohen (1, 0, 0, 2, 10, 4, 40, 92 ...). Zu finden sind zusätzlich Kuriositäten wie die Reihe 0, 0, 0, 0, 4, 9, 5, 1, 1, 0, 55 ... Sie entsteht dadurch, daß man aus den englischen Zahlwörtern one, two, three, four, five ... alle Buchstaben bis auf die Zahlenzeichen I, V, X, L, C, D und M streicht. Die Wortreste werden dann als römische Zahlen gedeutet.
Die in Rätselkolumnen und bei Intelligenztests beliebte Frage "Wie heißt die nächste Zahl?" einer vorgegebenen Zahlenreihe ist mit Sloanes Sammlung leicht zu lösen. Gibt man zum Beispiel die Reihe 3, 1, 4, 1, 5 in das Suchprogramm ein, bietet es einem fünfunddreißig verschiedene Möglichkeiten an, wie die Reihe weitergehen könnte. Eine der resultierenden Reihen wäre die von fortlaufenden ganzen Zahlen - beginnend mit der Drei -, die jeweils durch Einsen getrennt sind. Die nächste Zahl müßte also eine Eins sein. Es könnte sich aber auch um die Dezimalstellen der Kreiszahl Pi handeln. Dann müßte das nächste Element eine Neun sein. Seit 1998 gibt der amerikanische Mathematiker sogar eine spezielle elektronische Zeitschrift, das "Journal of Integer Sequences", heraus, in der ausschließlich Artikel über Zahlenreihen erscheinen.
HEINRICH HEMME
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